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Versorgungssicherheit auf tönernen Füßen?

Eine alte Weisheit besagt: Wir werden uns dessen was wir haben erst bewusst, wenn wir es verlieren. Erleben wir momentan solch einen Verlust hinsichtlich unserer so sicher geglaubten Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln? Sind die Tage der stets vollen Supermarktregale vorbei? Die COVID-19 Pandemie ist jedenfalls ein echter Stresstest. Aber weitere Herausforderungen lauern schon am Horizont.

Das Comeback der leeren Regale

Was vor wenigen Wochen in Österreich noch undenkbar schien, brachte die durch den COVID-19 Virus ausgelöste Pandemie innerhalb weniger Tage: leere Supermarktregale, verursacht durch teilweise panikartige Hamsterkäufe. Zwar betonten politische Verantwortliche, Landwirtschaftskammern und Handelsketten umgehend, das Problem bestünde vor allem darin, aus den vollen Lagern Nachschub zu holen und die Regale schnell genug wieder zu befüllen, aber plötzlich rückte das eher in Vergessenheit geratene Thema Versorgungssicherheit wieder ins Blickfeld.

Achillesferse ausländische Arbeitskräfte und Saisoniers

Zunächst muss man festhalten: Die beschwichtigenden Stimmen, welche die Versorgungssicherheit betonen, haben bislang Recht. Da wir in dieser Krise tatsächlich immer noch aus dem Vollen schöpfen und der Selbstversorgungsgrad mit Lebensmitteln in Österreich relativ hoch ist, besteht momentan trotz Hamsterkäufen sowie Grenzschließungen und den damit verbundenen Handelshindernissen noch kein Grund zur Sorge. Noch!

Denn die Abhängigkeit der österreichischen Landwirtschaft, der Lebensmittelverarbeitung und des Handels von Saisoniers und Arbeitskräften aus dem osteuropäischen Ausland könnte zu ernsthaften Problemen führen. Denn die Reisebeschränkungen auch innerhalb der Europäischen Union werden täglich verschärft. Jedenfalls sind etwa 60-70% der Arbeitskräfte in fleischverarbeitenden Betrieben ebenso aus dem Ausland, wie auch zahllose landwirtschaftliche Hilfsarbeiter, Erntehelfer_innen oder Angestellte im Lebensmittelhandel sowie der damit verbundenen Logistik. Dass die Landwirtschaftsministerin bereits jetzt eine (durchaus sinnvolle) Plattform zur Rekrutierung von freiwilligen Helfer_innen für die Landwirtschaft gestartet hat, illustriert, dass eine mittelfristige Bedrohung der Versorgungssicherheit nicht ganz abwegig ist.

Die nächste Herausforderung steht vor der Tür

Noch scheint die regionale Lebensmittelversorgung aber ausreichend resilient und wird wohl auch einen kurzfristigen Mangel an Arbeitskräften wegstecken können. Wir sollten den Weckruf aber ernst nehmen. Denn die gigantische Herausforderung des Klimawandels – auch für die Landwirtschaft – besteht nach wie vor. Sie wurde aktuell durch den Virus bloß aus der kollektiven Wahrnehmung verdrängt. Eine im Oktober 2019 veröffentlichte Studie der AGES kommt zum Schluss, dass bis 2060 aufgrund der Folgen des Klimawandels – je nach Temperaturanstieg – mit bis zu 19% landwirtschaftlichen Ertragseinbußen zu rechnen sei. In einigen Gebieten – wie dem Marchfeld – sind es bis zu 50%.

Verschärft wird dieses Problem durch den nach wie vor viel zu hohen Bodenverbrauch in Österreich, welcher in den letzten Jahren zwar etwas zurückgegangen ist, aber weiterhin der höchste in Europa ist. Täglich verbauen wir etwa 20 Fußballfelder Agrarfläche, was jährlich einem Verlust von 0.5% unserer gesamten Agrarfläche bedeutet. Dabei liegen wir sowohl bei den Verkehrsflächen pro Kopf als auch bei den Einkaufsflächen pro Kopf schon jetzt im europäischen Spitzenfeld.

Bodenverbrauch reduzieren, Klimawandel bekämpfen

Um die österreichische Versorgungssicherheit zu erhalten, müssen wir beim Bodenverbrauch umgehend massiv gegensteuern. Zwar finden sich im Regierungsprogramm einige Ansätze, was aber fehlt, ist eine grundsätzliche Reform der Widmungs- und Raumplanungspolitik sowie ein Wandel bei der Verkehrspolitik. Das ist aber notwendig, um die Zersiedelung zu stoppen, Boden zu schützen und Flächenrecycling zu forcieren. Konsequente Maßnahmen in diesem Bereich würden auch helfen, dem klimapolitischen Sorgenkind der Emissionen aus dem Verkehrssektor entgegenzuwirken. Um aber Österreich tatsächlich zum Klimaschutz-Musterland zu machen, brauchen wir darüber hinaus eine tiefgreifende Ökologisierung unseres Förder- und Steuersystems, inklusive der von uns NEOS schon lange vorgeschlagenen (und berechneten) aufkommensneutralen CO2-Steuer.

Auf eine regionale, qualitativ hochwertige Landwirtschaft setzen

Eine Bepreisung von CO2 bei gleichzeitiger Entlastung des Faktors Arbeit wäre – vor allem wenn dies europaweit umgesetzt wird – auch eine der effektivsten Maßnahmen, um Kostenwahrheit bei Transport und Produktion zu schaffen und damit eine resiliente lokale Lebensmittelproduktion zu fördern. Denn die absurden Importe von Zwiebeln aus Indien oder Äpfeln aus Neuseeland rechnen sich nur mit billigen fossilen Brennstoffen und der Auslagerung von deren Folgekosten auf die Allgemeinheit. Und auch die lokale Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion würde durch niedrigere Lohnnebenkosten profitieren.

High-Tech als Teil der Lösung

So wie in vielen anderen Wirtschaftsbereichen wird technologischer Fortschritt auch in der Landwirtschaft die Abhängigkeit von manueller Arbeit weiter reduzieren. Die digitale Revolution der Landwirtschaft steckt in Österreich noch in den Anfängen, zeigt aber in anderen Ländern bereits vielversprechende Ansätze: Ernteroboter, drohnengesteuerter Pflanzenschutz oder automatisierte Unkrautvernichter sind keine Science-Fiction mehr und können auch bei uns die Landwirtschaft trotz kleinerer Strukturen effizienter und krisensicherer machen.

Die Corona-Krise als Weckruf?

Vielleicht sorgen ja die Corona-Krise und die Unsicherheit beim täglichen Lebensmitteleinkauf bei den Konsumenten_innen und der österreichischen Politik für eine Sensibilisierung. Denn das Prinzip „BILLIG UND VIEL – EGAL WIE UND WOHER“ schadet dem Klima, der regionalen Landwirtschaft, der heimischen Versorgungssicherheit und damit uns allen. Es gilt jetzt mutige Schritte zu setzen und unsere Landwirtschaft und unser Wirtschaftssystem krisensicher zu machen. Denn die nächste Krise steht eigentlich nicht vor der Tür, sie ist schon lang da. Man sieht sie im Moment bloß nicht so gut #corona.

 

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