Ein gemeinsames Landwirtschaftsprogramm würde also fast zwangsläufig nicht alle zufriedenstellen können. Das nun vorliegende Verhandlungsergebnis ist daher trotz einiger positiver Aspekte wenig überraschend arm an Visionen und konkreten Maßnahmen, dafür aber reich an Intentionen, Bildern und hübschen Floskeln.
Gleich eingangs werden medienwirksame, romantische Bilder von der Landwirtschaft beschworen: kleinbäuerliche Familienbetriebe statt adipöser „Agrarfabriken“. Grundsätzlich nicht verkehrt, allein es fehlen die Maßnahmen, um der beschworenen internationalen Vorbildhaftigkeit und der Wichtigkeit kleinbäuerlicher Strukturen gerecht zu werden.
Dennoch, das Regierungsprogramm enthält auch positive Elemente und Maßnahmen – unter anderem:
- Die AMA Marketing soll grundsätzlich evaluiert und die AMA-Gebühren, die eine überproportionale Belastung für Landwirte darstellen, sollen gesenkt werden. Beides richtig und wichtig.
- Insbesondere für Kleinbetriebe sollen Entbürokratisierungen vorgenommen werden, was den Betrieb erleichtern und die Wirtschaftlichkeit erhöhen soll.
- Das Bekenntnis zu Qualitätsprodukten und zum Feinkostladen Österreich ist grundsätzlich richtig, um mit einer kleiner strukturierten Landwirtschaft international konkurrenzfähig zu bleiben.
- Auf die Bewusstseinsbildung hinsichtlich der Ernährung soll mit einem entsprechenden Schulversuch stärker fokussiert werden.
- Schließlich soll auch der Bodenschutz endlich ernster genommen werden.
Förderempfänger und Stillstand bei Klimaschutz
Diese und andere Punkte sind stimmige Bekenntnisse und wichtige Schritte in die richtige Richtung. Allerdings werden sie durch den Stillstand und die Mutlosigkeit in anderen Bereichen getrübt:
- Bäuerinnen und Bauern bleiben im Verständnis des Regierungsprogramms weiterhin primär Empfänger von Förderungen, die geschützt und gestützt werden müssen. Natürlich müssen Landwirt_innen von ihren Betrieben leben können und ganz ohne ein faires Fördersystem wird es nicht gehen. Aber da gibt es innovativere Zugänge: Machen wir Landwirt_innen zu Dienstleister_innen beim Natur- und Landschaftsschutz. Schaffen wir ein Umfeld für sie als Unternehmer_innen. Stärken wir ihre Möglichkeiten. Geben wir ihnen das digitale und technische Knowhow, sich zu internationalen Vorreitern zu machen. Holen wir sie aus dem deprimierend defensiven Selbstverständnis. Eine junge Generation von Landwirt_innen hat sich bereits auf diesen Weg begeben. Es ist nicht nur volkswirtschaftlich rentabel, sie dabei zu unterstützen.
- Auch fehlen jedwede Ansätze zur Modernisierung der Interessensvertretung und des Beratungszugangs. Landwirtschaftskammern, Bauernbund und Raiffeisen erhalten sich weiter ihre politisch und wirtschaftlich teilentmündigte Manövriermasse.
- Die grüne Handschrift fehlt besonders schmerzlich dort, wo sie so wichtig wäre. Klimaschutz kommt im Kapitel Landwirtschaft nur im Zusammenhang mit der EU und der Forstwirtschaft vor, die österreichische Landwirtschaft bleibt – außer wenn es um Förderungen geht – trotz ihres erheblichen Beitrags zu den Treibhausgasemissionen eigenartigerweise aus den Bemühungen um den Klimaschutz ausgenommen. Anstatt den Wandel zu einer klimaneutralen Landwirtschaft langfristig zu planen und die Zukunft positiv mitzugestalten, regiert eine Abwehrhaltung.
- Auch beim chemischen Pflanzenschutz haben sich die Grünen nicht durchgesetzt: Aufstockung der Forschung und Evaluierungen sind schön und gut, aber ein klares Bekenntnis oder gar ein bindendes Reduktionsziel fehlt. Enttäuschend ist auch, dass im Regierungsprogramm der Konnex von chemischem Pflanzenschutz zum Biodiversitätsverlust ausgeklammert bleibt, was angesichts der Vehemenz der Grünen vor der Wahl verwunderlich ist.
Fazit: Auch der grüne Juniorpartner konnte also wenig Bewegung in die österreichische Agrarpolitik bringen. Wir NEOS bleiben jedenfalls ein kritischer, aber konstruktiver Gesprächspartner. Wir werden die kleinen positiven Schritte einfordern und wenn sie denn gesetzt werden auch unterstützen. Aber wir werden bei weiteren fünf Jahren „Business-as-usual“ nicht tatenlos zusehen und Druck ausüben, auch echte Reformen einzuleiten. Wir haben keine Zeit zu verlieren.
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